Martin Oetting sucht in seinem Blog nach jemanden, der dieses Buch rezensieren möchte. Der Titel klingt gut und macht mich neugierig, also bekunde ich kurz entschlossen im Kommentar mein Interesse. Martin gibt mir die Zusage und freute mich auf das Buch.

0-punk-marketingDann halte ich das Buch in den Händen. Ein Paperback, vom Format her etwas größer als A5 (18,7 x 23,2 cm). Das Titelbild macht neugierig. Der Sticker an der Brust des Titelhelden forderte mich auf, „meinen Arsch hoch zu bekommen und mich der Revolution anzuschließen“. Die Spannung steigt.
Beim ersten Durchblättern fallen mir die Überschriften auf. Sie sehen aus, als hätte jemand einzelne Buchstaben ausgeschnitten und diese dann zusammengesetzt. Wie bei typischen Erpresserbriefen in den TV-Krimis. Die Lesbarkeit erhöht das nicht, ist das Punk?

Einige ganzseitige schwarz-weiß Zeichnung fallen ins Auge, mal sehen, was die einzelnen Kapitel zu bieten haben.
Gewidmet ist das Buch jedem der uns „Scheiße in Dosen“ verkauft hat … und deren Partnern. Deutliche Worte, passend zum Punker-Image.
In dem zwölfseitigen Prolog beschreiben die Autoren die Revolution in der wir uns befinden. Eine Revolution der Werbung, die immer mehr Macht dem Verbraucher gibt. Sie schildern in einem kurzen Rückblick die Entwicklung innerhalb der Werbung, von der Konzentration auf wenige Fernsehkanäle und der entsprechenden Wirkung der klassischen Fernsehwerbung bis hin zu der heute stark fragmentieren Werbelandschaft, in der es um ein Vielfaches schwieriger geworden ist, den Verbraucher überhaupt zu erreichen.

Zum Schluß der Prolog gibt es eine kurze Erklärung was Punk sei, wie z.B.

  • ein gemanagtes Chaos in den Arbeitsalltag zu bringen, um das Denken zu ändern
  • sich einen Tag frei zu nehmen, um etwas komplett anderes zu tun, den Blackberry auszuschalten und sich durch eine Kunstausstellung, einen Kinobesuch, eine Klettertour neu inspirieren zu lassen und neue Ansätze für Problemlösungen zu finden
  • einen Experten aus einem ganz anderen Gebiet – einen Möbelschreiner, einen Baumchirurgen, eine Sushi-Koch – in die Firma bringen, um gemeinsam mit seinem Team von den andersartige Erfahrungen zu profitieren

Dann geht es endlich los, aber typisch Revolution – erst einmal mit einem Manifest. Das Punk-Marketing-Manifest umfasst 15 Artikel:

  1. Vermeide das Risiko und sterbe
  2. Warum Du nicht fragen sollst: „Warum nicht?“
  3. Steh zu Deiner Aussage
  4. Frag die Kunden nicht, was sie wollen
  5. Gebe die Kontrolle auf
  6. Präsentiere Dich
  7. Schaffe Dir Feinde
  8. Bring Sie dazu, mehr zu wollen
  9. Denke smarter als Deine Wettbewerber
  10. Lass Dich nicht von der Technologie unterkriegen
  11. Wisse, wer Du bist
  12. Keinen weiteren Marketing-Bullshit
  13. Laß es nicht zu, dass andere Deine Standards setzen
  14. Nutze die Tools der Revolution
  15. Das Fragezeichen – schreibe Deinen eigenen Artikel

Die folgenden Kapitel (2-13) sind wie folgt überschrieben:

2 – Kill the Middlemen: Do So Before They Kill You
3 – Brand Not Bland: How to Stand Out So That You Are „The Chosen“
4 – Who’s Eating Your Lunch?: Make Them Spit It Out
5 – The Sell Phone: Use and Abuse of the Cell Phone for Marketing
6 – The Captive Consumer: Do Not Try This At Home
7 – Now It’s Story Time: Art of Making a Case through Storytelling
8 – Leave Me Alone, Will Ya!: Too Much Stuff, Too Little Time
9 – Lies Lies Lies – The Truth About Truth: And Factoids about Facts
10 – As Seen on TV: Place It Baby, Place It
11 – At Last, a Job in Hollywood!: You Are the Content
12 – Game On: No One Is A Loser
13 – It’s More Than Just Us: Hard as That Is to Believe

Die Überschriften lesen sich interessant und machen auch wieder neugierig auf den Inhalt. Aber sie schaffen es nicht, mich zu begeistern. Je weiter ich in dem Buch lese, desto schwerer fällt es mir. Ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass alles was die beiden erzählen, nicht Neues ist, zumindest für mich nicht.

Wo ist die echte Revolution? Dass die Werbung sich ändern muß, dass lese ich seit Jahren und besonders intensiv, seit ich eine Menge Marketing-Blogs aus dem englischen und deutschen Sprachraum verfolge. Vielleicht liegt es an mir. Dass ich einfach schon zu weit in diese bereits stattfindende „Revolution“ eingetaucht bin. Dass das Bloggen und das Verfolgen von anderen Blogs, von YouTube-Videos etc. mir schon in Fleisch und Blut übergegangen ist.

Richard Laermer und Mark Simmons versuchen es mit einer klaren Sprache, wie sie sagen und definieren wie folgt:

  • PUNK – eine Einstellung von Rebellion gegen Tradition
  • MARKETING – die Praxis der Ermutigung von Kunden, Produkte zu kaufen
  • PUNK-MARKETING – eine neue Form von Marketing, die den Status Quo ablehnt und die Machtverschiebung von den Unternehmen zum Kunden erkennt
  • PRODUKT – das was der Marketer versucht zu verkaufen
  • MARKE – etwas was der Kunde glaubt. In anderen Worten, die Marke ist das, was der Kunde in dem Produkt sieht
  • KONVERGENCE – die zunehmende Vermischung der Linien zwischen Kommerz, Inhalt und Kunde
  • KUNDE – die Menschen, die die Macht haben

Aber was ist daran neu? Was ist daran revolutionär? Ich weiß es nicht.
Nicht erst in meinem Marketing-Studium Anfang der 80er habe ich gelernt „Der Kunde ist König“. Klar, viele Marketingabteilungen haben das immer noch nicht kapiert. Aber muß ich deswegen von einer notwendigen Revolution sprechen?Und das immer mehr Inhalte von den Nutzern generiert werden – inzwischen wohl auch schon fast ein alter Hut – oder nur für die Blogger?

Wie schon gesagt, tue ich mich mit dem Buch unheimlich schwer. Das ärgert mich, besonders weil ich sehr gern und sehr viel lese. Ob das nun in Englisch (wie bei diesem Buch) oder in Deutsch ist, spielt dabei keine Rolle. Ich habe z.B. während ich dieses Buch gelesen habe, ein weiteres Buch von Keith Ferrazzi über Networking verschlungen und eines zum Thema, wie man Kunden verblüffen kann. Beide Bücher haben mir viel Spaß gebracht. Dieses Buch über Punk-Marketing nicht. Das kann sicherlich auch an mir liegen. Also wer mag, dem schicke ich das Buch gern zu. Es sind nur wenige Stellen mit Bleistift markiert und noch alle Buchstaben enthalten ;-).

Parallel zum Buch habe ich mir die dazugehörige Webseite angesehen. Auch sie überzeugt mich nicht sonderlich. Es sind die üblichen Kurzzussammenfassungen und Übersichten drauf. Auch eine (natürlich sehr positivie) Rezension.

Interessant fand ich einen Link auf „PUNK ENEMIES“. Auf der entsprechenden Unterseite wird auf eine Seite www.punktstinks.com verwiesen. Allerdings ohne den eingebauten Link. Ich kopiere mir den Link also in ein neu geöffnetes Tab meines Browsers und lande auf einer Seite, in der über dieses Buch hergezogen wird. Allerdings wird diese (angebliche) Feindesseite von einem anonymen Marketer geschrieben, der sich nicht outen will. Das dazugehörige Forum kann nur als Witz gemeint sein. Die allermeisten Post zeigen ein und dasselbe Bild.

Ich werde das Gefühl nicht los, dass diese Feindes-Seite ein (imho schlecht gemachter) Versuch der Autoren oder des Verlages ist, noch ein bisschen ungewöhnliches (Punk?)-Marketing in eigener Sache zu machen.

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