Wer Charles Handy ist, brauche ich wohl kaum zu erzählen. Die meisten werden ihn als Autor und Management Guru kennen. Dass er heute aber seinen 75. Geburtstag feiert, das wissen wohl nur die wenigsten. Was passt besser zu diesem Anlass, als die Vorstellung seines neuesten Buches „Ich und andere Nebensächlichkeiten“.

Es gibt mindestens zwei Möglichkeiten, sich einen Überblick über Charles Handy zu verschaffen. Erstens, man schaue sich die knappe Zusammenfassung in Wikipedia an:

Grundstudium am Oriel College, Oxford abgeschlossen Summa cum laude in Greats (Literae Humaniores, einem Studium mit klassischen Inhalten, Geschichte und Philosophie). Nach dem College arbeitete Handy zwölf Jahre als Manager für den britischen Ölkonzern Royal Dutch Shell in Süd-Ost Asien und London. Nach dieser Zeit studierte er weiter an der MIT Sloan School of Management, wo er auf Warren Bennis, Chris Argyris, Edgar Schein and Mason Haire traf und ein Interesse an den Funktionsweisen von Unternehmen entwickelte.

Nach seiner Rückkehr nach England 1967, war Handy einer der Mitbegründer der London Business School. 1972 verließ er Shell, da er eine volle Professur für Managementpsychologie an der London Business School erhielt. Hier wurden die Fragen der Veränderung von Gesellschaft und Arbeitswelt und die nötige Reaktion darauf der Mittelpunkt seiner Arbeit.

Von 1977 bis 1981 arbeitete Handy in einem Konferenz- und Ausbildungszentrum für Ethik und Werte in Windsor Castle (der Privatresidenz der Queen of England).

Von 1987 bis 1989 war er Vorsitzender der Royal Society of Arts in London. Er hält Ehrendoktortitel von sieben britischen Universitäten. In Großbritannien ist er wegen seines BBC-Radio-Programmes „Gedanken für Heute“ (Thoughts for Today) einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Handy gilt als einer der einflussreichsten Managementdenker .

Handy und seine Ehefrau Elizabeth, die auch sein Geschäftspartner ist, haben zwei erwachsene Kinder und leben wechselnd in England und Italien.

Handy kann also mit Recht als einer der maßgeblichen Management-(Vor)Denker unserer heutigen Zeit angesehen werden.

Und jetzt wissen wir das Wichtigste einiges – zumindest was die Fakten angeht. Was aber vollkommen auf der Strecke geblieben ist, ist der Mensch. Was für Gefühle hat dieser Charles Handy. Wovor hat er Angst? Was macht ihm Freude? Wie sieht er sich selbst? Und genau auf diese Fragen gibt das neue Buch von ihm interessante und z.T. tiefschürfende Anworten.

Ich habe seine Biografie mit großer Freude und in einem Rutsch durchgelesen. Es machte einfach Spaß, ihm bei seinen Erzählungen und durch sein Leben zu folgen. Bisher kannte ich ihn nur von dem einen oder anderen Managementbuch. Warf ihn in einen Topf mit Gary Hamel, Tom Peters oder Peter Drucker. Was aber den Menschen Charles Handy ausmacht, das wusste ich nicht. Ich war neugierig, was ihn antreibt, worin er die Erfüllung in seinem Leben sieht. Wie er seinen Weg zu Job&Joy beschreiben würde.

Das Buch beginnt bereits sehr sympathisch mit der Frage: „Sind Sie sicher?“. Charles beschreibt darin eine kurze Begebenheit, bei der er seiner Frau auf einer Ausstellung Ihrer Fotografien hilft. Ein Mann tritt auf ihn zu.
„Ich habe gehört dass Charles Handy hier ist“, sagte er. „Das stimmt“, antwortete ich, „ich bin Charles Handy.“ Er sah mich ein wenig skeptisch an, um dann zu fragen: „Sind Sie sicher?“ Ich antwortete ihm, dass sei eine gute Fragen, denn im Laufe der Zeit waren zahlreiche Versionen von Charles Handy zum Vorschein gekommen, – nicht alle erfüllten mich mit Stolz.”

Und genau das gefällt mir an diesem Buch und an dem Autor. Er reflektiert über sein Leben und nimmt vollkommen uneitel dazu Stellung.

„Wir können versuchen, uns offen und aufrichtig mit der eigenen Person auseinanderzusetzen, anstatt vorzugeben, jemand zu sein, der wir nicht sind. Ich selbst habe viele Jahre lang eine Art Lüge gelebt und genau das versucht: Ich wollte jemand sein, der ich nicht war – zuerst ein extrovertierter biertrinkender Student und anschließend ein hartgesottener Manager einer Erdölgesellschaft –, bis ich entlarvt wurde. Und ich wollte eine Person sein, die Menschen führen kann, wobei die anderen seltsamerweise nicht immer Lust dazu zu haben schienen.
Es war eine große Erleichterung für mich, als ich mir endlich erlaubte, ich selbst zu sein, obwohl ich mir gelegentlich immer noch wünsche, ich wäre als jemand ganz anderer geboren worden. Doch ich versuche nicth länger diesen unmöglichen Wunsch zu verwirklichen.“

Auch seine Definition von Erfolg im Leben, in der er sich an Herminia Ibarra von der Wirtschaftsuniversität INSEAD anschließt, hat was: „ … der Erfolg im Leben hänge nicht davon ab, dass man wisse, was man wolle, bevor man handle, sondern umgekehrt. Nur indem man handelt, Erfahrungen sammelt, Fragen stellt und erneut handelt, könne man herausfinden, wer und was man eigentlich sei. Diese Erfahrungen habe ich auch gemacht.“

Einen der entscheidenden Wendepunkte in seinem Leben erlebt Charles Handy beim Tod seine Vaters, einem evangelischen Pfarrer in Irland. Für Charles vollkommen überraschend kommen viele hundert Menschen zu dem Begräbnis. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er immer etwas herablassend auf seinen Vater geschaut und gemeint, er hätte „mehr“ aus seinem Leben machen müssen. Jetzt erkennt er:

„Dies war kein gewöhnlicher Mensch gewesen. Und es war mein Problem, nicht seines. Ich hatte ihn falsch beurteilt.
Bei meiner Abreise war ich traurig und nachdenklich. Ich hatte mich in meiner Geschäftigkeit verloren. Wollte ich irgendetwas für andere Menschen bedeuten, so musste ich mein wahres Ich wieder finden. Ich begann zu begreifen, dass es verlockend, aber irreführend war, die Werte und Bestrebungen anderer zu übernehmen, anstatt eigene zu entwickeln.“

Und er entdeckt: „ … es braucht auch Mut, um ein Leben zu wechseln. Es ist sehr viel einfacher, am bekannten Leben festzuhalten, selbst wenn es uns anscheinend nirgendwo hinführt. Ein Wechsel des Lebens zwingt uns oft, auf einer anderen Leiter noch einmal auf der untersten Stufe zu beginnen. Doch wenn wir entdecken, dass die Leiter, die wir zu erklimmen versuchen, an der falschen Mauer lehnt, ist die Entscheidung eigentlich unausweichlich. Wir müssen rasch eine andere Leiter finden. Allerdings ist es eine Sache, die Entscheidung im Geist zu fällen, und eine ganz andere, sie auch in die Tat umzusetzen.“

Genau von diesen Wendepunkten handelt dieses Buch, ob nun die Wende vom Mitbegründer der London Business School zum Leiter des St. George’s House, einem elitären Bildungszentrum in Windsor Castle oder der anschließende Wechsel von dieser prestigeträchtigen Stelle zu einem freiberuflichen Vortragsredner. Hier entdeckt er mit einem Mal die Notwendigkeit, sich selber verkaufen zu müssen. Zum Glück hat er in seiner Ehefrau Elizabeth eine fähige Unterstützerin.

Getreu seinem Motto „es liegt in unserer Hand, die Zukunft zu gestalten. Alles ist möglich, wenn wir uns nur genug darum bemühen, Eigeninitiative zu zeigen.“ schafft er gemeinsam mit seiner Frau auch diese Hürden.

Die Lektüre des Buches hat mir viel Freude bereitet, ich kann es jeden nur empfehlen, der sich nicht nur mit Managementansätzen sondern auch mit der Philosophie und der Suche nach dem Sinn des Lebens auseinandersetzen will.

Und was macht Charles Handy jetzt, nach seinem 75. Geburtstag?
Die Antwort hat er schon gegeben, in seinem Buch: „Dasselbe, nur langsamer. … Warum sollte ich etwas anderes tun? Es ist das was ich liebe.“

Das Buch ist bei Econ erschienen und kostet 22,- Euro.

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