Dass der Bewerber um die demokratische Präsidentschafts-Kandidatur große Menschenmassen begeistern kann, zeigt er immer wieder. Er (und sein Team) schaffen es, ganze Stadien zu füllen. Die Veranstaltungen haben oft mehr mit einem Rockkonzert gemeinsam, als mit einer herkömmlichen politischen Veranstaltung. Der Erfolg seines bisherigen Wahlkampfes bestätigt seine Strategie. Er hat die letzten 11 Vorwahlen gewonnen. Heute wird in weiteren vier Staaten gewählt, in Texas, Ohio, Vermont und Rhode Island. In Texas liegt Obama nach jüngsten Umfragen vor seiner Rivalin Hillary Clinton, in Ohio führt sie (noch?) knapp.
Das sah vor drei Wochen ganz anders aus. Damals rief ihm Hillary entschlossen zu „meet me in Texas“. Sie führte damals mit zweistelligen Prozentzahlen sowohl in Texas als auch in Ohio. Wie hat es Obama geschafft, in dieser kurzen Zeit auch in diesen Staaten soweit zu seiner Rivalin aufzuschließen bzw. sie sogar zu überholen?
Nach meiner Einschätzung dürfte das Internet oder besser gesagt die Art und Weise, wie Barack Obama es nutzt, einer der maßgeblichen Gründe sein; zusammen natürlich mit seiner brillianten Rhetorik und seinem äußerst effektiven Wahlkampfteam.
Wie planvoll er dabei vorgegangen ist, wird aus einem Interview deutlich, welches Marc Andresen, der Gründer von Netscape, Ning u.a. , mit Barack vor über einem Jahr geführt hat. Auf seinem Blog schreibt Marc heute über diese eineinhalb Stunden mit Barack Obama. Die Chance, dieses lange und persönliche Gespräch zu führen gab es nur, weil Obama seine Kandidatur noch nicht bekannt gegeben hatte.
Ich habe mir erlaubt, die einige der Eindrücke von Marc sinngemäß ins Deutsche zu übersetzen:
„Erstens, das ist ein ganz normaler Kerl.
Ich habe eine ganze Menge Zeit in den letzten 15 Jahren mit Politikern verbracht. Die meisten von ihnen reden mit dir. Zuhören gehört nicht zu ihren starken Seiten – tatsächlich sind viele von ihnen noch nicht einmal gut darin, das vorzutäuschen.
Senator Obama kommt im Gegensatz wie ein ganz normaler Mensch rüber, mit einem normalen Kommunikationsstil und einen normalen Interesse an den Personen mit denen er zusammen ist und an der Welt um ihn herum.
Wir waren in der Lage ein sehr ehrliches Gespräch zu führen, was hin und her ging, zu einer ganzen Anzahl von Punkten. Der Senator war besonders interessiert an dem Aufstieg der Social Networks, Facebook, Youtube und anderen nutzergenerierten Inhalten und löcherte mich immer wieder mit Fragen, was wir von der nächsten Generation der social Medien erwarten und wie diese social networks die Politik beeinflussen könnten. Er stellte all diese Fragen ohne irgendwelche anwesenden Mitarbeiter, ohne vorbereitetes Material ohne Notizen. Er wußte bereits eine ganze Menge über die Thematik und war sehr begierig mehr zu lernen. Wir sprachen auch über eine ziemlich weiter Bandbreite anderer Themen, inklusive Sillicon Valley und verschiedener Politik-Themen.
Bei den meisten Politikern hört die Neugierde auf, wenn sie herausgefunden haben, wieviel Geld Du für sie aufbringen kannst. Nicht so bei Senator Obama – dies ist ein ganz normaler Kerl.
Zweitens, der Kerl ist schlau
Ich sage dies aus zwei Gründen. Erstens, die politischen Gegner von Obamas versuchen ihn als eine Art Leichtgewicht zu beschreiben, was er definitiv nicht ist. Zweitens, ich glaube er ist an oder nahe der Spitze der Intelligenz-Skala von allen, die heute in der Politik tätig sind.
Wie intelligent er ist, kannst Du an seinem Werdegang erkennen, z.B. ist er Juniorprofessor für Verfassungsrecht an der Universtität von Chicago; vorher war er Präsident der Harvard Law Revie.
Aber auch wenn Du dich mit ihm unterhälst, wird deutlich, dass Du mit einem der schlauesten politischen Köpfe unserer Zeit sprichst, zumindest seit Bill Clinton. Er ist frisch, bei klarem Verstand, analytisch und nimmt eine große Zahl von Informationen auf, die er dann zusammenfügt – ziemlich schlau.
Drittens, dies ist nicht radikal.
Es geht hier nicht um irgendeine Art von liberaler Revolution, bei der man alles über den Haufen wird und von vorne anfängt.
Abgesehen von den Reden bei den Vorwahlen, wirf einen Blick auf seine politischen Positionen zu irgendeiner Anzahl von Themen, beeindruckend ist, wie vernünftig, moderat und durchdacht sie sind.
Und das ist genau wie er persönlich ist. Es gibt dort keine Feuer in den Augen, um einen utopischen Traum zu realisieren. Was stattdeseen durchscheint, sowohl in seinen Fragen wie in seinen Antworten, ist Ruhe, Vernunft und Urteilsvermögen.
Viertens, dies ist der erste, glaubwürdige Post-Baby-Boomer Präsdentschaftskandidat
Die Baby-Boommer werden am besten definiert, als die Generation, die während der 1960er Jahre erwachsen wurden, deren Weltsicht geprägt war durch den Vietnamkrieg, der weitverbreiteten sozialen Unruhen und Veränderungen, die ihren Höhepunkt Ende der 60er Jahre fanden.
Post-Bommer sind die von uns, wie ich, die in den 1970er und 1980er erwachsen wurden, nach Vietnam, nach Nixon, nach der sexuellen Revolution und den kulturellen Unruhen der 1960er.
Einer der Gründe, warum Senator Obama so frisch und anders rüber kommt, liegt daran, dass er der erste ernstzunehmende Präsidentschafts-Kandidat ist, der weder aus der Zeit des zweiten Weltkriegs (Reagan, Bush Senior, Dole und sogar McCain,der 1936 geboren wurde) stammt noch aus der Generation der Baby-Boomer (Bill Clinton, Hillary Clinton, John Kerry und George W. Bush). Er ist ein Post-Boomer.
Viele der Boomer, die ich kenne, sind immer noch fixiert auf die 1960er in der einen oder anderen Weise – insbesondere wie sie über Veränderungen, Politik und die Regierung denken.
Es wird sehr klar, wenn man sich mit Senator Obama unterhält, dass er total fokussiert ist auf die Welt, wie sie nach den 1960er existiert, wie ich auch und wie wahrscheinlich jeder, der jünger ist als 50.
Welches Bild ergibt sich aus diesen vier Eindrücken?
Schlau, normal neugierig, nicht radikal und post-Boomer.
Wenn Du mich nach einer Beschreibung für den nächsten Präsidenten der USA fragen würdest, das würde es sein.
Ihn getroffen zu haben und ihn dann die letzten 12 Monate beobachtet zu haben, wie er einer der besten und saubersten großen Präsidentschafts-Kampagnen an die ich mich erinnere, führte, habe ich keine Zweifel dass Obama Urteilsvermögen, Verhalten, Intellekt und hohe ethische Standards hat, um ein außergewöhnlicher Präsident zu sein – ganz abgesehen von der Bewegung, die er um sich herum aufgebaut hat und ganz im Gegensatz zu den dummen Behauptungen sowohl von Clintons als auch von McCains Kampagnen, dass er irgendwie noch nicht reif genug sei.
Bevor ich schließe, lasst mich zwei spezifische Dinge, die er Anfang 2007 – zu dem Thema ob er reif genug sei – sagte:
Wir haben ihn direkt gefragt: „Wieviel Sorgen sollten wir uns darüber machen, dass Sie noch keine nennenswerte Erfahrung als Führungskraft – als Manager wie als der Führer von Menschen?“
Er sagte: „Beobtachtet, wie ich meine Kampagne führen werde – dann seht ihr meine Führungsqualitäten im Alltag.“
Zu der Zeit war ich mir nicht sicher, was ich mit seiner Antwort anfangen sollte – politische Kampagnen sind oft sehr durcheinander und chaotisch, mit einer hohen Fluktuation und Reibungsverlusten; welche Schlußfolgerungen sollten wir daraus ziehen?
Nun, wie jeder politische Experte Euch erzählen wird, hat sich herausgestellt, dass Obamas Kampagne einer der best organisierten und ausgeführten Präsidentschaftskampagnen in der Geschichte sind. Selbst Obamas Gegner haben zugegeben, dass seine Kampagne diszipliniert, methodisch und effektiv das volle Spektrum der Aktivitäten einbindet, die das Gewinnen erforderlich machen – und mit einem Minimum an Negativem und Anzeigen voller Angriffe, wie sie normalerweise in einem solchen Rennen zu finden sind. Und das alles bei einer Fluktuation, die gegen Null tendiert. Nach fast allen Maßstäben hat die Obama Kampagne sowohl die von Clinton als auch von McCain einfach ausmanöveriert.
Dies spricht sowohl für die Fähigkeit des Senators eine Kampagne zu führen, als auch für seine Fähigkeit ein Spitzenteam aus Professionals und Freiwilligen zu rekrutieren und zu führen – eine weitere Führungseingegenschaft.
Wenn ihr dieses vergleicht mit den bisherigen beeindruckende Mißklängen, den inneren Kämpfen und der Fluktuation sowohl innerhalb des Clinton- als auch des McCain-Teams – nun, das sind zumindest sehr interessante Fakten.
Wir haben ihn dann nach der Außenpolitik gefragt – sollten wir uns darüber Sorgen machen, dass er auf diesem Gebiet nur wenig Erfahrung hat?
Er sagte zwei Dinge:
Erstens, sagte er, bin ich im Senats-Kommitee für die Außenpolitischen Beziehungen, wo ich zusammen mit einer Anzahl von Senatoren diene, die weithin als die führenden Experten in der Außenpolitik angesehen werden – und ich kann Euch sagen, dass ich zu diesem Zeitpunkt genausoviel über die Außenpolitik weiß, wie die meisten von ihnen.
Als Fan von Antworten, die gerade heraus kommen, fand ich diese Antwort gut.
Aber dann brachte er es auf den Punkt, auf den es meiner Meinung nach tatsächlich ankommt:
Er sagte – und ich werde ihn hier etwas zitieren: „Denkt daran, wer ich bin – mein Vater war Kenianer; Ich habe enge Verwandte in einem kleinen ländlichen Dorf in Kenia bis zum heutigen TRag; und ich habe mehrere Jahre meiner Kindheit Jakarta, Indonesien gelebt. Denkt daran, was es für viele Teile der Welt bedeutet, Teile der Welt, die uns wirklich wichtig sind, wenn ich auftauche als der Präsident der Vereinigten Staaten. Ich werde die Wahrnehmung dessen, was die USA ausmacht,
Er hat meine Stimme.“
Soweit zu dem Gespräche, welches Marc Andresen mit Barack Obama vor über einem Jahr führen konnte.
Und wenn man unter diesem Hintegrund sein Engagement im Internet anschaut, dann wird klar, welche zentrale Bedeutung es innerhalb seiner gesamten Kampagne hat:
Wired beschreibt in einem heutigen Beitrag ein paar Einzelheiten dieser Web-Aktivitäten:
Eines der wichtigsten Elemente ist die Möglichkeit, die Menschen in die Kampagen mit einzubinden. „Es ist eine Mischung aus Meetup, Facebook und MySpace, alles an einem Platz“, sagt einer der Anhänger und Mitstreiter in der Kampagne. Auf der Seite my.BarackObama.com haben sich in dem letzten Jahr mehr als 500.000 User angemeldet. Mehr als 30.000 Events, die von den Unterstützern organisiert wurden, sind dort registiert.
Diese Plattform bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten sich mit anderen Anhängern zu organisieren, Veranstaltungen zu planen bis hin zu konkreten Aktionen wie dem Anrufen von potentiellen Wählern und speziellen Lerncentern für Wahlbezirksleiter.
Diese große Präsenz im Internet ist darüber hinaus einer der Ursachen für die riesigen Spendengelder, die dem Kandidaten bisher zugeflossen sind. So hat er das Spendenaufkommen von Hillary nicht nur im Januar 2007 weit übertroffen (ca. 30 Mio $ gegen ca. 15 Mio $) sondern auch im Februar 2007. Hier konnte seine Konkurrentin immerhin ca. 35 Mio $ einnehmen und wurde doch wieder von Obama abgehängt, mit ca. 50 Mio $. Näheres hierzu u.a. auch bei Burkhard Schneider, der Barack den König des Crowdfundings nennt.
Ich bin gespannt, wie die Wahlen heute ausgehen. Die Chancen stehen auf jeden Fall sehr gut, das Barack Obama der erste Web 2.0 Präsident wird.
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